Kurz mal zum Muttertag

Gedanken einer Nicht-Historikerin

Heute ist Muttertag: weltweit wird ein Tag im Jahr als Muttertag gefeiert, in vielen Ländern jedes Jahr am zweiten Sonn

Mohnblume zum Muttertag

Mohnblume zum Muttertag

tag im Mai. Der Tag ist offiziell als Feiertag zu Ehren der Mütter institutionalisiert. So werden Mütter u.a. mit Gebasteltem, Gedichten, Familienbesuchen und vor allem mit Blumensträußen gefeiert. Aber warum ist das so und wie ist dieser Tag entstanden?

 

Auf die historischen Vorläufer des Muttertags in der griechischen und römischen Antike mit den Verehrungsritualen der Göttin Rhea oder dem Kybele- und Attiskult möchte ich allerdings hier nicht eingehen, aber sicherlich gehört auch dieser Bezug zum Thema.

Sucht man am Samstag vor dem Muttertag Blumengeschäfte auf, so könnte man schnell vermuten, er sei eine Erfindung der Blumenindustrie: Hätte man seiner Mutter, Lebenspartnerin oder Freundin eine Woche früher eine Freude mit einem Blumenstrauß machen wollen, so hätte man mit Sicherheit nicht so tief in die Tasche greifen müssen  und für den gleichen Betrag zumindest Pralinen oder anderes Schenkenswertes dazu kaufen können.

Aber so ist es nicht. Der Muttertag in seiner heutigen gesetzlichen Verankerung als offizieller Feiertag zu Ehren der Mütter hat seinen Ursprung in der US-amerikanischen Frauenbewegung. Wichtig ist an dieser Stelle aber zu unterstreichen, dass die Streiterinnen für die Etablierung eines offiziellen Muttertags bewegt waren von frauenrechtlichen Gedanken wie Gleichberechtigung, Wertschätzung und Überwindung etablierter Rollenbilder und nicht von dem Gedanken getragen waren, die Rolle der Frau als Mutter auf die drei Ks – Kinder, Küche, Kirche – zu begrenzen.

Eine bedeutende Rolle bei der Etablierung des Muttertags nahm Julia Ward Howe (1819 -1910) ein, eine amerikanische Lyrikerin, Schriftstellerin, Abolitionistin und Vertreterin der Frauenbewegung, die den amerikanischen Müttern einen Tag im Jahr widmen wollte, an dem sie geehrt werden sollten. 1870 erregte sie mit ihrer Mothers‘ Day Proclamation  Aufsehen, einem Vorschlag zur Einführung eines Muttertags als Protesttag gegen den Krieg. 1872 initiierte Howe eine Mothers’ Peace Day Observance am zweiten Sonntag im Juni, ein Ereignis, das sich über mehrere Jahre  wiederholte.

Als Begründerin des Muttertags gilt allerdings Anna Marie Jarvis (1864-1948) , ebenfalls eine US-amerikanische Frauenrechtlerin. Nach dem Tod ihrer Mutter, Ann Maria Reeves Jarvis (1832-1905), am 8.Mai 1905 hatte Anna M. Jarvis den Wunsch, das Gedenken an ihre Mutter zu ehren und damit auch allen anderen Frauen einen Tag der Würdigung und des Respekts zu widmen.

Ann Maria Reeves Jarvis hatte sich zu Lebzeiten sowohl für Frieden wie auch dafür eingesetzt, dass die schlechten hygienischen Verhältnisse zur damaligen Zeit verbessert werden, weil diese in ihren Augen für die damals herrschende hohe Kindersterblichkeit verantwortlich waren. Bereits 1858 gründete sie die Mothers‘ Days Work Clubs mit dem Ziel, die unter der Arbeiterschaft verbreiteten sanitären Missstände zu beseitigen, die Gesundheit der Familien zu fördern und der hohen Kindersterblichkeit entgegenzuwirken. Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) organisierte sie Frauen über Mothers‘ Friendship Days, mit dem Ziel, den Verwundeten beider verfeindeter Seiten Hilfe zukommen zu lassen. Nach dem Krieg wurde sie aktiv in der Werbung für einen Muttertag, zur damaligen Zeit ein Feiertag, der  auf Pazifismus und Sozialdienst gründete. So sollen z.B. während des Bürgerkriegs Kärtchen an die Mütter der Soldaten geschickt worden sein mit Botschaften wie z.B. „Sehr verehrte Damen, Ihre fünf Söhne sind ruhmreich im Krieg gefallen“. Vor diesem Hintergrund ist es leicht nachvollziehbar, dass mit dem Muttertag Pazifismus in den Vordergrund gestellt werden sollte. Ann Maria Reeves Jarvis starb in der zweiten Maiwoche 1905.

Rose zum Muttertag

Rose zum Muttertag

Ann Maria Jarvis wollte mit ihrem Wunsch, einen offiziellen Feiertag zu Ehren der Mütter zu etablieren, nicht zuletzt die Lebensleistung ihrer Mutter unvergessen machen. Sie ging engagiert und hartnäckig dabei vor, dies zu verwirklichen. Drei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter wurde ein Gedenkgottesdienst abgehalten, der allen Müttern gewidmet war. Es war der erste inoffizielle Muttertag, gefeiert in der zweiten Maiwoche 1908. Ann Maria Jarvis soll 500 rote und weiße Nelken, die Lieblingsblumen ihrer Mutter, vor der Kirche an die Mütter ihres Heimatorts Grafton/West Virginia verteilt haben. „Die Nelke wirft ihre Blütenblätter nicht ab, sondern drückt sie an ihr Herz(…) so drücken auch die Mütter ihre Kinder ans Herz“, soll sie gesagt haben. Sie kämpfte weiter dafür, dass der Muttertag ein nationaler Feiertag wurde.

Ihr Einsatz wurde letztendlich mit Erfolg belohnt: am 8. Mai 1914 erklärte der Kongress den zweiten Sonntag im Mai, den Todestag ihrer Mutter, offiziell zum Muttertag und damit zum offiziellen nationalen Feiertag. England folgte und ließ den Mothering Day wieder aufleben.
Allerdings musste Ann Maria Jarvis erleben, dass der Muttertag entgegen dem von ihr intendierten Sinn vom Kommerz missbraucht wurde. Sie versuchte gerichtlich dagegen vorzugehen, soll im Kampf gegen seine Kommerzialisierung ihr ganzes Vermögen verloren haben.
Während und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Muttertag international in vielen Ländern etabliert. Floristen-, Bäcker- und Konditoreiverbände witterten ein großes Geschäft und machten sich für landesweite offizielle Muttertage stark . 1917 folgte die Schweiz, 1918 Norwegen, 1919 Schweden, 1922 Deutschland und 1924 Österreich. Der Muttertag entwickelte sich immer mehr zum dem, was ursprünglich nicht damit verbunden werden sollte, nämlich zu einem kommerzialisierten Großereignis. Die ursprüngliche Botschaft ging somit leider verloren. Jarvis zog – wie bereits –  erwähnt vor Gericht, um den Muttertag wegen dieser Zweckentfremdung verbieten zu lassen, hatte jedoch keinen Erfolg.

Rose Nahaufnahme

Rose Nahaufnahme

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Muttertag in Deutschland für ideologische Zwecke missbraucht. Er wurde 1933 in den „Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter“ umbenannt. Das Frauenbild jener Zeit war geprägt von der völkisch-nationalistischen Ideologie und betonte die Rolle der Frau als Mutter. Die ideale Frau arischer Abstammung sollte sich durch Charaktereigenschaften wie Pflichterfüllung, Leidensfähigkeit, Opferbereitschaft, Treue und Selbstlosigkeit auszeichnen. Der Frau wurde eine funktionale Rolle als Gebärerin reinrassigen Nachwuchses zugeschrieben: das Mutterbild als Propaganda- und damit Manipulationsinstrument.

Die soziale Rolle der Frau wurde auf ihre Mutterrolle reduziert : als Garant für Gebären und Erziehen stählerner und kampfbereiter Nachkommen. Diese Funktionalisierung der Frau als Weitergeberin hochwertigen Erbguts wurde durch die Stiftung des Mutterkreuzes geadelt, die gemeinsam mit dem Muttertag 1938 institutionalisiert wurde. Wenn eine Frau acht Kinder gebar, wurde ihr das „Goldene Mutterkreuz“ verliehen.

Die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk waren die einzigen zugelassenen Frauenorganisationen im Dritten Reich. Nachwuchsorganisation war der Bund deutscher Mädel. Im Reichsluftschutzbund sollen bis zu 70% der Mitglieder weiblich gewesen sein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die in Deutschland stationierten US-amerikanischen Soldaten den Muttertag erneut zurück und er wurde in allen westlichen Ländern eingeführt.

In der DDR wurde wie in allen anderen Ländern des sogenannten Ostblocks an seiner statt der Internationale Frauentag gefeiert. Erst nach der Wiedervereinigung von DDR und Westdeutschland 1990 wurde der Muttertag auch in Ostdeutschland eingeführt.

Heute ist nun wieder Muttertag, ein Muttertag in Zeiten von Besuchsbeschränkungen, empfohlener körperlicher Distanzierung, ein Muttertag, der sicherlich all jene, die ihn gerne feiern möchten, sehr traurig macht, weil sie ihre Liebsten nicht persönlich treffen können.
Ein Tag zu Ehren der Mütter ist sicherlich wichtig und sinnvoll, mir liegt es allerdings eher am Herzen, dass überall an jedem Tag die wichtige Rolle von Frauen in der Gesellschaft Wertschätzung erfährt, dass die Gleichberechtigung von Frauen, ihre Gleichwertigkeit in allen Lebenssphären immer wieder betont wird und sich unaufhörlich gegen sexualisierte Gewalt, Missachtung weiblicher Freiheit und Selbstbestimmung positioniert und engagiert wird.
Es könnte ja sein, dass so ein offizieller Feiertag wie der Muttertag von einigen als Alibi benutzt wird, ihren ansonsten respektlosen und erniedrigenden Umgang mit Frauen weiterhin für gut zu befinden, die Frage stelle ich jetzt mal in den Raum.

CC BY-NC-ND 4.0 Gedanken zum Muttertag von Dr. Barbara Kling ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 4.0 international.